Das Rollenspiel

Er nickte. "Trockener..." Er schnupperte mit seiner feinen Nase. "Und es riecht nach Schwefel. Ob wir uns dem Drachen nähern?"

"Wir nahmen mit dem Sturz vielleicht eine Abkürzung?", dachte ich laut.
Immerhin war die Luft dort oben durchaus feuchter gewesen, während sie hier unten, wie Felan es schon sagte, darauf hin deutete, dass wir uns der Feuerechse näherten.
"Ich las immer, dass Drachen böse sein sollen... Gierig nach Macht und Gold. Meinst du, dass es stimmt? Jetzt wo wir hier sind, wage ich es zu bezweifeln, es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass etwas falsch dargestellt wird."

"Vielleicht sind Drachen so geworden?", meinte er nachdenklich. "Immerhin soll dies hier der Erste von ihnen sein. Es kann durchaus möglich sein, dass er freundlich ist. Das wäre zur Abwechslung wirklich schön."
Felan deutet mit der Tatze nach unten. "Sieh nur. Da unten sind weitere Vorsprünge. Vielleicht kann ich nach unten springen. Komm, steig auf meinen Rücken."
Er legte sich hin und sah sie erwartungsvoll an.

Ein leichtes Lächeln konnte ich nicht unterdrücken, als ich vorsichtig auf seinen Rücken stieg und mich in seinem Fell festhielt.
"Ich glaube nicht jeder kann von sich behaupten, auf einem Werwolf reiten zu dürfen.", scherzte ich.

"Haha!", lachte Felan. "Mit dem Unterschied, dass ich ich ein Formwandler bin. Zumindest hat das Großvater behauptet." Der Elf brummte kurz, ehe er Anlauf nahm und auf den nächsten Vorsprung sprang, der einige Meter schräg unter ihnen lag.
Im Zick-Zack ging es tiefer in den dunklen Schlund und es wurde stetig heißer und der Gestank von Schwefel war penetrant.

"Das heißt, du kannst dich in alles mögliche verwandeln, wenn es dir danach bliebt?", fragte ich ihn, während er galant von einem zum anderen Vorsprung sprang.
Ich spürte, wie es hier deutlich wärmer wurde und wie sich einige, kleine Schweißperlen auf meiner Stirn bildeten.

"Nein, ich selbst habe mich nur in einen Wolf verwandeln können. Erinnerst du dich, als wir vor den Horden des Nekromanten flohen und ich dich auf meinem Rücken in den Wald getragen habe? Großvater meint, dass ein Formwandler sich nur in ein bestimmtes Tier verwandeln kann. So wie Baerus... Sich in einen Bären verwandeln konnte." Bei der Erwähnung des Namens, hatte sich Felans Stimme verfinstert. Vielleicht war er über dessen Tod hinweg, aber der Hass auf die Hexe, saß immer noch sehr tief.
Er hielt inne und deutete mit einem Nicken auf ein Felsportal, das ihnen gegenüber lag. Dahinter führte ein Tunnel in die Dunkelheit. Unter ihnen lag aber nach wie vor schwarzer Abgrund.
"Meinst du, du könntest meinen Sprung mit Magie erweitern?"

Jetzt verstand ich, was er mit Formwandler meinte. Auf jeden Fall hätte es sich als etwas interessantes rausgestellt, könnte er die Gestalt jedes beliebigen Tieres annehmen.
Als er Baerus erwähnte, überkam mein Herz eine Welle der Trauer. Auch wenn ich geglaubt hatte, über sie hinweggekommen zu sein, war dem nicht so. Er war uns ein treuer Freund gewesen und gab sein Leben, um das der Hexe zu beenden und uns zu retten. Wenn der erste Teil auch kläglich scheiterte.
"Oh, natürlich.", seine Worte rissen mich aus meinen Gedanken und ich löste den hellen Stab von meinem Rücken. "Bereit?", fragte ich.

Er nickte, nahm Anlauf und schwang sich mit seinen mächtigen Hinterbeinen über den Abgrund, doch war schon jetzt klar, dass er es nur bis zur Hälfte schaffen würde. Ohne Hilfe, würden sie in den Abgrund stürzen. Jetzt war es an Alice.

Die Spitze des Stabes leuchtete hell auf, als ich meinen Willen und meine Energie sammelte und darauf richtete, uns rüber zu bringen.
Silberne Schwingen breiteten sich anmutig über uns aus, und trugen uns rüber zur anderen Seite.
Dass ich dazu im Stande war, wusste ich bisher gar nicht. Aber, inzwischen wunderte mich gar nichts mehr.

Felan nickte anerkennend. "Hast du das alles in deiner Zeit an der Universität gelernt?", fragte er.

"Nein, das nicht.", antwortete ich nach einiger Zeit, während ich den Stab wieder an meinem Rücken befestigte. "Meinst du, das ist unnormal?", fragte ich ihn. "Wie vielen Zauberern kommt denn spontan ein Zauberspruch in den Sinn?"

"Ich weiß nicht.", meinte Felan und stampfte langsam weiter. "Aber mich würde nichts mehr überraschen. Vielleicht schlummern diese Zaubersprüche tief in dir?"

"Das ist gut möglich. Als Kind sprach ich den Sancreta, einen sehr mächtigen Zauber, mit dem ich meinen Adoptivvater tötete. Und vorher hatte ich noch nichts von Magie gehört.", meinte ich nachdenklich.

"Dann wird es vermutlich so sein.", meinte Felan. "Wenn wir das überstehen, sollten wir meinen Großvater oder den Erzkanzler fragen. Die wissen bestimmt etwas darüber."

"Das sollten wir tun. Auch wenn mir der Gedanke nicht gefallen mag, dass ein anderer mehr über mich weiß, als ich selbst.", gab ich zu bedenken. Doch wenn es das kostete, um an Wissen ranzukommen. War ich mehr als bereit den Preis zu bezahlen. Auch, wenn ich keinen Gefallen daran fand, mich unwissend zu fühlen.

Felan stampfte weiter durch die Dunkelheit des Tunnels, doch schon bald hatten sie ein Steinportal passiert, dass sie in eine große dunkle Halle führte. Selbst Felans Augen konnten sie nicht durchdringen und er war wie blind.
"Ich setzte dich ab...", warnte er Alice vor, ehe er sich auf den Bauch legte und sie hinunter ließ. Dann hörte man wie er stöhnte, ein Zeichen dafür das er sich zurückverwandelte.
"Die Finsternis ist so dicht und ich bekomme kaum Luft...", keuchte Felan nun wieder mit deutlich höherer Stimme. Er war wieder der Elf der er war. "Was..." Er hustete und keuchte als würde er nach Luft ringen.
"Nur das Einhornblut darf weiter diesen Weg beschreiten.", erklang eine alte Stimme die jedoch voller Kraft war und wie ein schneidender Wind ihnen entgegen wehte.
Dann schossen plötzlich Flammen zu beiden Seiten empor und erhellten die Halle. Das Licht konnte jedoch nicht bis hinauf zur Decke dringen, sodass dieser weiter im Dunkeln blieb. Doch sie wurde von riesigen Säulen getragen die dich beieinander standen und fast wie ein Wald wirkten. Am Ende der Halle, thronte ein mächtiges Tor das in eine weitere Halle zu führen schien.

Für meine Augen war die Dunkelheit, die seit Ewigkeiten Teil meiner Rasse und so mir selbst war, nicht undurchdringlich. Dennoch erstaunte es mich, dass die schwärzer zu sein schien, als jene aus den Gängen zuvor,
Als Felan mich absetzte, klopfte ich mir aus Gewohnheit die Kleider ab und blickte nach vorn. Beinahe stieße ich ein enthusiastisches 'Na dann mal los!' aus, hätten Felans Schwierigkeiten, Luft zu bekommen nicht davon abgehalten, denn dies erwiese sich beim fortschreiten als Problem.

Die Worte, dass nur ich den Weg beschreiten durfte, drehten mir den Magen um, ebenso wie die Stimme unbekannter Herkunft. "W.. Wieso?", murmelte ich.
Feuer erhellte die Halle vor mir, und kennzeichnete mir deutlich den Weg. "Ich kann dich doch nicht zurück lassen!", meinte ich ernst.

Felan sah zu ihr auf und keuchte noch einmal. "Geh.", sagte er ernst und versuchte sich zurück zu dem Gang zu schleppen. "Wenn es dein Schicksal ist, dann kannst nur du es erfüllen."

"Mein Schicksal kann es doch nicht sein, meinen schwer atmenden Freund in diesem von den Göttern verlassenem Tunnel zurück zulassen!", warf ich ein und half ihm besorgt zurück, auf dass er weiter hinten besser Luft bekam.
Vielleicht müsste ich alleine gehen, aber erst, wenn ich Felan in Sicherheit wusste.

Als sie den Tunnel wieder erreicht hatten atmete Felan durch und die Farbe seines Gesichts wurde wieder gesünder. Er stützte seine Hände auf die Knie und atmete tief durch, dann richtete er sich auf und nickte zum Zeichen das es ihm gut ging. "Es geht wieder." Doch er legte nachdenklich die Stirn in Falten und schüttelte dann den Kopf. Seine Hand wanderte zum Griff seines Schwertes und mit einer geschmeidigen Bewegung zog er es hinaus. Er hielt es Alice entgegen.
"Nimm es. Es wird dir vielleicht nützlicher sein, als mir hier draußen."

Das Gefühl der Erleichterung machte sich in mir breit, als Felans Gesicht die Blässe verlor und es ihm allmählich besser ging. Ich selbst hatte das Gefühl, als würde mir ein schwerer Stein vom Herzen fallen.
"Ich werde schon bald wieder da sein. Sollte dir etwas passieren, rufe laut meinen Namen.", wies ich ihn an, als ich nach kurzem Zögern das Schwert entgegen nahm. "Warte auf meine Rückkehr."
Mit diesen Worten wandte ich mich von ihm ab und trat langsam zurück zu der Halle. Würde ich behaupten, keine Angst zu haben, wäre das eine Lüge. Denn zum ersten Mal seit langem verspürte ich sie glasklar, die Angst.

"Komm, komm näher.", ertönte die schöne Stimme von neuem. "Tritt hindurch. Komm zu mir... Lass dich ansehen..." Und dann war es wieder still.Jenseits der Tore schien die Dunkelheit zuzunehmen, als würden die Schatten etwas verbergen wollen, als würden sie den Blick fremder ablenken und verschlingen...

Die Stimme desjenigen, der mich zu sich bat, besänftigte meinen verschreckten Geist, wie Honig einen gereizten Hals. "Wer seid Ihr?", fragte ich, während ich das Schwert leichtsinnig senkte und näher trat, im blinden Vertrauen.

"Komm zu mir in die Schatten Kind... Dann lass uns von Angesicht zu Angesicht einander vorstellen.", erklang wieder die Stimme. Die Dunkelheit jenseits der Tore schien sich jetzt in Nebel zu verwandeln und auf Alice zuzubewegen. Wie Fangarme streckten sie sich langsam auf und um nach ihr greifen zu wollen, wallten vor ihr auf dem Boden nieder, konnten sie aber nicht packen.