Das Rollenspiel

Er nickte ihr dankbar zu und zusammen verließen sie diesen Ort wieder auf dem Weg den sie gekommen waren. Der Erste sollte recht behalten, denn am Ende des Ganges war ein Portal das sie hinauf in die Halle des Erzkanzlers brachte, der sie bereits erwartete.
Der Drachenelf sah sie beide mit seinen unergründlichen Augen an, als sie plötzlich in seiner Halle erschienen. "Ihr habt ihn also getroffen...", sagte er und neigte respektvoll das Haupt.

Auch wenn ich noch immer innerlich überwältigt von dem Treffen mit dem ersten aller Drachen war, und es gleichzeitig noch nicht recht verstehen konnte, dass es tatsächlich der Erste war, vergeudete ich keine Zeit mit Floskeln.
"Er verlangte von uns, Arvas Spiegel zu besorgen.", informierte ich ihn.

Der Karypter sah sie ebenso ausdruckslos an, wie er sie bei ihrem ersten Treffen angeblickt hatte. Doch auch jetzt verrieten seine Augen so tief wie der Ozean uraltes Wissen und große Weisheit. "In der Tat ein hehres Ziel.", meinte der Drachenelf und legte die Fingerspitzen aneinander. "Er müsste in Arvas Tempel zu finden sein, in den Wäldern Seril's. Dort liegen die Ruinen des einstmals großen und mächtigen Tempels, jetzt verschlungen vom Hexenwald, dem Reich der grausamen Darnia Jadelien, der Mätresse des Erznekromanten. Wenn er noch dort ist, dann wird es schwer werden ihn zu bekommen. Aber ich sehe das der Erste auf Euren Erfolg vertraut, also werde Ich das auch tun. So sagt mit, wie kann ich Euch helfen?"

"Kennt Ihr einen Zauber, der uns nützlich sein könnte? Sicher gibt es viele verborgene Zaubersprüche in Eurem Reich, sehr mächtige, die uns durchaus helfen könnten. Ich möchte nicht ausschließen, gegen Darnia kämpfen zu müssen, und ich fürchte, dass sie vielleicht stärker ist als ich mit ihrer dunklen Magie.", fragte ich ihn neugierig.

"Ich kann Euch keine größere Macht geben, als jene die Ihr bereits in Eurem Herz tragt. Ich kann Euch nur eines sagen: Im rechten Augenblick, zum rechten Zeitpunkt, werdet Ihr Eure Kräfte verstehen und zu meistern wissen. Und denkt daran, dass nichts außer den Elfen ewig zu leben vermag und das ewiges Leben immer einen Quell hat. Sucht nach Darnias Macht, entreißt ihr diese und ihr werdet sie stürzen können.", sagte der Erzkanzler und sah sie unberührt an.

"Ihr ihre Macht entreißen?", wiederholte ich, nickte dann aber zögerlich. "Ja... Ich denke, das wird wieder so eine Sache sein, die ich verstehen werde, wenn die Zeit reif ist.", nahm ich an.
Darnia würde ich töten, ebenso wie ihren Meister. Und wenn ich das nur erreichen könnte, wenn ich seinen Worten folge leistete, dann sei es so.

"Ich kann Euch nur noch eine Rast von der langen Reise anbieten und mein Heim zu dem Euren machen. Für diese Nacht sollt ihr ruhen und die Sorgen und Nöte vergessen die auf euch lasten. Geht dahin mit dem Segen der Göttlichen. Möget ihr einstweilen Frieden finden hier in Karypto.", fügte der Erzkanzler schließlich noch hinzu.
Felan beugte sich zu Alice herüber und flüsterte ihr leise ins Ohr: "Warum müssen alte Männer immer so geschwollen und in Rätseln sprechen? Können sie nicht einfach mal Klartext reden?"
Die haarlosen brauen des Erzkanzlers hoben sich und er sah Felan mit einem seltsamen Blick an, eine spektakuläre Regung in dem sonst so ausdruckslosen Gesicht.

Ich grinste Felan leicht an, ehe ich zu dem Erzkanzler blickte. Dass er nicht so ausdruckslos wie sonst zu uns blickten war mir nicht entgangen. Vermutlich bekam es ihm gut mal ein paar jüngere und frischere Gesichter in Karypto zu haben. Immerhin konnte er jetzt wieder seine Gesichtsmuskulatur benutzen.
"Wir danken Euch für Euer Angebot. Ein bisschen Schlaf bekäme uns ganz gut."

"Dann werde ich alles nötige veranlassen.", sagte der große Drachenelf und bedeutete ihnen zu folgen. "Folgt mir. Ich werde euch euer Zimmer zeigen, das für diese Nacht dies eure ist. Gegessen wird vor Sonnenuntergang, also in Bälde. Ich erwarte euch dann als meine Gäste wieder hier."
Wenig später hielt er vor einem verschlossenen Steinportal. Er ließ die Hand über einen Kristall gleiten der in die Wand eingelassen war und der Stein teilte sich und gab eine Kammer preis. Sie war mit einem steinernen Bett möbliert, einem großen Tisch und einigen kleinen Schränkchen auf denen Pflanzen und Amphoren standen. Durch mehrere Öffnungen in den Wänden fiel schwindendes Sonnenlicht in den Raum.
"Stein? Wir sollen auf Stein schlafen?", fragte Felan gequält und unglücklich. "Wie... Reizend..."
"Ist etwas nicht zu eurer Zufriedenheit?", fragte der Kanzler und sah sie wieder mit ausdruckslosem Gesicht an.

Voller Erwartungen, wie die Zimmer wohl aussähen, folgte ich dem Drachenelfen. In einer längst vergessenen Zivilisation wie dieser würde die Einrichtung sicherlich anders sein. Ich persönlich stellte sie mir irgendwie majestätischer vor, mit riesigen Betten, teuren, schweren Vorhängen und altem Mobiliar aus morschem Holz.
So überraschte mich, was ich sah, als er das Steinportal betätigte. Wo war das Bett? Das... richtige Bett?
"Schläft man hier immer auf Steinen?", fragte ich, seiner Frage aus Höflichkeit ausweichend. Das erklärte wohl die raue Haut dieser Riesenechsen....

"Ein harter Untergrund tut dem Rücken gut und erinnert und an die harte Zeit während unserer Wanderung hierher.", erklärte ihnen den Kanzler.
"Ja, von den steifen Glieder ganz zu schweigen.", fügte Felan deutlich sarkastisch hinzu. Der Erzkanzler schien dies nicht bemerkt zu haben oder ignorierte es schlichtweg.
"Sonnenuntergang.", sagte der Drachenelf schließlich und ließ sie allein.

"Tut dem Rücken gut?", wiederholte ich, als er uns alleine gelassen hatte. "Glaubst du, der verwechselt da was?", fragte ich Felan mit verwundertem Blick. Soweit ich wusste, tat das alles andere als gut. Im Gegenteil, jedes Mal, wenn ich auf hartem Boden schief, was noch nicht sonderlich oft vorkam, hatte ich an den Tagen darauf nervtötende Rückenschmerzen.

"Ein seltsames Völkchen, huh?", meinte Felan und setzte sich auf die harte Steinkante. "Ehrlich gesagt, habe ich mir das alles anders vorgestellt. Das der Tempel so aussah, wie er aussah, kann ich verstehen. Aber das hier...? Wo sind die weichen Federbetten, wo ist das ganze Gold, die Edelsteine? Das hier ist einfach zu primitiv für solch ein Volk."

"Vielleicht putzen sie sich mit Edelsteinen die Zähne...?", schlug ich schulterzuckend vor. "Das erinnert sie wohl an die Schönheit, die ..", ich unterbrach mich selber und schüttelte den Kopf. "Ach, ich weiß nicht."
Seufzend ließ ich mich wohl etwas zu schnell neben Felan nieder, wobei sich der harte Stein unangenehm an meinen Steißbein bemerkbar machte. "Und ich hatte mich nach dieser langen Reise so sehr auf ein weiches Bett gefreut."

"Vielleicht hat dieser kauzige Kerl noch ein paar weiche Decken...", meinte Felan und sah träumerisch in die Ferne. Dann seufzte er. "Ich hoffe sie essen hier nicht nur Gemüse..."

"Sehen wir uns mal um. Vielleicht lässt sich etwas finden.", schlug ich vor und erhob mich. Die schlichte Hoffnung, dass sich etwas weiches zum schlafen finden ließe, was ermutigend.
"Was das Essen angeht, werden wir wohl schauen müssen.."

"Du hast recht.", stimmte er ihr schließlich zu und stemmte sich wieder auf die Beine. "Schauen wir uns ein wenig um. Ich denke nicht das der Erzkanzler etwas dagegen hat." Felan lief an ihr vorbei und drehte sich dann mit gerunzelter Stirn zu ihr um.
"Wie viele Erzkanzler gibt es eigentlich? Der höchste Magier von Ankh-Morpork, Galder Wetterwachs, der wird doch auch Erzkanzler genannt. Naja, vielleicht nur eine weit verbreitete Titulierung?"

"Ich weiß es nicht.", sagte ich ehrlich. "Aber kann sich im Grunde nicht jeder zum Erzkanzler ernennen?", fragte ich ihn. "Ich meine, natürlich hätte man nicht so große Macht wie Wetterwachs oder der Erzkanzler hier, aber man könnte sich dennoch selbst so nennen.", versuchte ich zu erklären, bemerkte aber, dass ich nur sinnfrei vor mich hin schwafelte. "Tut mir leid, was ich sage, macht gerade gar keinen Sinn.", lachte ich kopfschüttelnd und machte mich wieder daran, nach Decken zu suchen.

Sie liefen gemeinsam ein paar Gänge entlang, die schrecklich trostlos und leer wirkten. Wenigstens ein paar Pflanzen hätte man zur zierte hinstellen können, dachte sich Felan. Schließlich kamen sie zu einer Weggabelung. Über den Torbögen waren seltsame Runen eingraviert, sicherlich die Schriftzeichen der Karypter.
"Was das wohl heißen mag?", fragte Felan und starrte zu den Symbolen hinauf, die sehr aufwendig und fein gearbeitet in den Stein gemeißelt wurden waren. "Ob wir irgendetwas interessantes finden, wenn wir hier weiter gehen. Solche Zeichen haben wir bisher noch nicht gesehen. Zumindest habe ich keine bemerkt."

Auch ich musterte die Runen interessiert. Wie auch bei Felan, weckte die meine Neugier, und meinen Abenteuergeist.
"Wir werden es jedenfalls nicht rausfinden, wenn wir hier tatenlos rumstehen...", meinte ich und ging wagemutig voraus.

Er grinste und eilte ihr mit neu entflammten Enthusiasmus hinterher. Ob sie hier wohl etwas interessantes finden würden? Leider erwies sich ihr Fund als große Enttäuschung. Es war lediglich ein Lagerraum für Lebensmittel. Überall standen Regale, beladen mit Obst und Gemüse. Es war hier kälter als im Rest des Tempels. Eine Tür trennte diesen Raum von einem anderen, in dem Fleisch in rauen Mengen von der Decke hing, fast noch ganz am Stück.
Felan seufzte enttäuscht und seine Schultern sackten nach unten. "Und ich dachte wir würden hier einen Schatz finden!"

Ich stimmte mit einem Seufzen mit ein und lehnte mich mit überkreuzten Armen gegen die kühle, feuchte Wand. "Die Runen wirkten sehr mysteriös, als würden sie zu einem Abenteuer locken... Aber das hier ist tatsächlich eher... Enttäuschend."
Ich musterte das Fleisch mürrisch, mich insgeheim wundernd, welchem Tier es wohl entnommen wurde.

"Was macht ihr hier?", ertönte eine volle tiefe Stimme. Felan drehte sich auf dem Absatz um und starrte in hinauf in das breite Gesicht einer Karypterin. Sie war stramm, geradezu bullig und das für eine Frau. Sie hatte die selben drachischen Züge wie auch der Erzkanzler, jedoch war ihr gesicht platter und alles sehr maskulin ausgeprägt. Doch ihre Wölbungen zeichneten sie als Frau aus.
Aus großen dunklen Augen starrte sie die beiden missmutig an und wischte ihre dreckigen Klauen an einer ledernen Schürze ab. Sie stemmte ihre Hände in die Seite und wirkte damit umso gefährlicher. Ein großes Hackmesser steckte in ihrer Schürzentasche. "Also!?"

Ich atmete erschrocken auf, als die riesige Echse den Raum betrat. Dass jemand so starkes wie er kein Krieger war, sondern anscheinend Koch oder als etwas vergleichbares arbeitet- Moment. Das war doch... Eine Frau?
So oder so, sonderlich freundlich oder geduldig wirkte diese Karypterin wohl kaum.
"Wir sahen uns bloß um..", antwortete ich also schnell. "Es ist ein Zufall, dass wir gerade hier landeten..", erklärte ich, dabei leicht stammelnd.

"G-genau.", stimmte Felan ihr zu und wich einen Schritt zurück, sodass er halb hinter Alice zum stehen kam. Der größte Krieger war er wirklich nicht.
"Ihr lügt doch.", zischte die Eche argwöhnisch und verengte die Augen zu kleinen Schlitzen. "Gebt es zu, ihr wolltet etwas aus der Vorratskammer stehlen! wer seid ihr überhaupt ihr Grünschnäbel. Seid wann schleichen Spitzohren wie ihr durch unsere Stadt?"
"Spitzohren?", rief Felan empört aus und betastete seine kleinen spitzen Elfenohren.
Der eiserne Blick der Frau richtete sich auf Alice. "Aber bei Dunkelelfen sollte man auch nichts anders erwarten!", spie sie unfreundlich aus.